Der Plan meines vierwöchigen Uganda-Aufenthaltes zum Jahresanfang war es, Schulgelder für die Kinder zu zahlen, die von unserem Verein gefördert werden, außerdem das Therapiegeld für ein Mädchen mit Behinderung und neue Verhütungsmittel (Hormonchip im Arm) zu bezahlen, Kleidung und allerlei Kleinigkeiten.*
Mein Budget für 2015 war gut berechnet und verplant.
Aber es kommt immer anders als man denkt!
Durch die Kinder meiner engen ugandischen Freunde lernte ich den zwölfjährigen Lawrence kennen. Er war für eine Woche zu Besuch bei seiner Tante Rosi und sein Cousin Junior und dessen Schwester Meggy gingen sehr liebevoll mit ihm um und verstanden sich sehr gut mit ihm.
Als Lawrence am Ende der Woche zurück nach Hause sollte, weinte er still und versteckte sich in einer Ecke. Etwa zu diesem Zeitpunkt bat mich meine Freundin Rosi um Hilfe. Sie hatte einen Anruf aus Kamuli (Lawrence‘ Heimatort) erhalten – ihre Schwester bat sie eindringlich den Jungen doch bei sich zu behalten, da sie befürchtete der Großvater würde ihn sonst totschlagen.
Es war das erste Mal, dass meine Freundin mich um Hilfe bat und so war mir gleich klar, dass es brennt! Es gab dringenden Handlungsbedarf.
Hintergrund ist, dass die jüngste Tochter des alten Mannes vor vier Jahren an HIV verstorben ist. Sie wurde nur 39 Jahre alt und hinterließ den kleinen achtjährigen Lawrence und aus erstes Ehe zwei ältere Kinder. Alle drei Kinder lebten nun bei den betagten Großeltern.
Wenn der Jüngste aus der Schule kam, schlug ihn der Großvater mit einem Stock, 40 Hiebe! Warum? Er wollte ihn disziplinieren.
Als sich Lawrence‘ Schulzeiten veränderten und er erst um 17 Uhr nach Hause kam, glaubte ihm der Großvater nicht und schlug ihn noch mehr. Er schmiss mit Steinen nach ihm und wollte ihn verjagen, ihn nie mehr wieder sehen.
Ging die Großmutter dazwischen, schlug er auch sie.
Warum? Ich weiß es nicht. Vielleicht war er so tot traurig über den Verlust seiner Tochter, dass sich seine Wut auf das Kind des zweiten Ehemannes übertrug.
Obwohl es im Vereins- Budget nicht vorgesehen war, ein weiteres Kind zu fördern, musste ich in diesem Fall helfen, ich konnte das Kind nicht seinem Schicksal überlassen.
Zunächst fuhr Lawrence samstags weinend zurück zu den Großeltern. Ich versprach ihm, am Montag zu kommen, sodass er nur einen Tag durchhalten müsste.
Rosi bereitete ihren Vater ganz vorsichtig darauf vor, sie hätte einen Spender gefunden, der den Jungen fördern wolle – aber nur in der großen Stadt Jinja, wo er das Kind regelmäßig besuchen könnte.
Montags fuhren Rosi und ich zusammen in einem Matatu (heillos überladener Kleinbus) nach Kamuli: Brütende unerträgliche Hitze, stundenlanges Sitzen bei den alten Großeltern, gemeinsames essen, freundlich sein und die Fassung bewahren, trotz aller Wut, die ich in mir trug.
Das Kind packte seine paar Habseligkeiten in eine landesübliche Metallbox. Es gab dem Großvater mit größtmöglichem Abstand die Hand und sagte leise: „Bye, Chief“.
Er antwortete nichts, in meine Richtung gewandt sagte er, dass der liebe Gott mich geschickt habe.
Aufatmen im Matatu zurück nach Jinja!
Lawrence schaute mich mit seinen großen braunen Augen an und sagt: „Anna, du hast nicht gelogen. Du bist wirklich gekommen, um mich abzuholen.“
Lawrence lebt jetzt bei seiner Tante Rosi in einem kleinen Vorort von Jinja. Nachdem ich mich um die Anmeldung an seiner neuen Schule gekümmert habe, hat er den neuen Schul- Term an der örtlichen St. Moses Grundschule begonnen. Für rund 200 € hat unser Verein Lawrence‘ Schulgeld, Mittagessen und Schuluniform für ein ganzes Schuljahr übernommen.
* Der Aufenthalt fand im Rahmen der Vereinsarbeit des Odissa-Charles e.V. statt.
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