Manchmal ist es ein unscheinbares Schriftstück, das unbändige Freude auslöst. So ging es uns, als Stefan uns seine Anmeldung für das Studium in Kampala zeigte! Wer die Lebensumstände in Uganda ein wenig kennt, wird unsere Begeisterung sicherlich uneingeschränkt teilen können.

Stefans alleinerziehende Mutter Christine bemüht sich sehr, ihre Familie durch den Verkauf von Räucherfisch zu ernähren. Trotz ihrer Armut hat sie, zusätzlich zu den fünf eigenen Kindern, vier notleidende Kinder aus der Verwandtschaft aufgenommen. Wo selbst das Essen manchmal knapp ist, ist es geradezu utopisch, Geld für den regelmäßigen Schulbesuch aufbringen zu können. Der Weg für Kinder aus derart armen Verhältnissen führt bei Mädchen oft in frühe (Zwangs)Ehen und bei Jungen in schlecht bezahlte Gelegenheitsjobs oder in die Kriminalität.

Auf Christines Redlichkeit können wir uns seit vielen Jahren verlassen. Deshalb unterstützen wir sie nach Kräften und finanzieren die Schule bzw. Ausbildung von fünf Kindern; darunter auch Odi, der Namensgeber unseres Vereins. Ein Engagement, das inzwischen zu erfreulichen Erfolgen führt.

Stefan – Zielstrebig, Warmherzig und Wissensdurstig

Student Stefan

Aktuell können wir uns ganz besonders über die Entwicklung von Stefan freuen. Durch die finanzielle Unterstützung konnte er erfolgreich den höheren Schulabschluss machen und sein Wunschstudium „Soziale Arbeit“ antreten. Damit ist er der erste Student aus den Reihen, der von uns unterstützten Kinder und Jugendlichen!

Vor Studienbeginn hat Stefan bereits ein Jahr als Volunteer des Vereins praktische Erfahrungen in der sozialen Arbeit gesammelt. Dank seines verantwortungsbewussten und warmherzigen Wesens wurde er schnell zu einer geschätzten Verstärkung des engagierten Odissa-Charles Teams. Gemeinsam mit den Kollegen betreute er Familien und Kinder und führte selbstständig Aktivitäten wie Lesestunden durch, die sich bei den Kindern und Jugendlichen schnell großer Beliebtheit erfreuten.

Stefan sticht aber nicht nur durch seine emphatische Art und seinen Eifer bei der praktischen Arbeit heraus. Auch für die Theorie bringt er großes Interesse mit. So genießt er es sehr, Fälle aus der täglichen Praxis mit der Vereinsvorsitzenden Anne Grothe (Sozialarbeiterin und Kunsttherapeutin) durchzusprechen. Auch sein Lieblingsfach Psychologie hilft ihm, die Verhaltensweisen von Menschen immer besser zu verstehen. Neben Psychologie beinhaltet das Studium weitere anspruchsvolle Fächer wie Soziale Anthropologie, Politik, Social Administration und Soziologie. Das erste Semester hat Stefan inzwischen mit hervorragenden Noten in allen Bereichen abgeschlossen und ist nun hochmotiviert in das zweite Semester gestartet.

Die Zukunft fest im Visier

Ebenso wohlüberlegt wie sein Studium, geht Stefan auch andere Aspekte seines Lebens an. Frühe Ehen, viele Kinder (als Altersvorsorge) und ein „Irgendwie Durchkommen“ sind in Uganda weit verbreitet. Mit seinen 26 Jahren wäre Stefan typischerweise schon Familienvater. Diesen Weg hat er bewusst nicht eingeschlagen. Stefan möchte zunächst ein solides Fundament schaffen: sein Studium erfolgreich beenden, Geld verdienen, ein Bankkonto eröffnen. Erst dann möchte er eine Familie gründen. Ein solcher Ausbruch aus traditionellen Strukturen ist kein einfacher Schritt! Gespräche mit europäischen Gästen in seinem Alter haben Stefan aber gezeigt, dass sein Lebensentwurf umsetzbar ist und so verfolgt er seinen Plan zuversichtlich weiter.

Seine Mutter hält Stefan über seine Gedanken und sein Leben und Lernen in Kampala immer auf dem Laufenden, damit sie sich nicht entfremden. Christine vermisst Stefan sehr, aber natürlich ist sie auch ungemein stolz auf ihren Sohn. Dessen Name stammt übrigens aus dem Altgriechischen und wird heute als „der Gekrönte“ oder „der Sieger“ interpretiert. Für uns ist Stefan auf jeden Fall auf der Siegerstraße, weil er eigene Wünsche und Ziele formuliert, weil er sich den höheren Schulabschluss zugetraut hat und weil er den Mut hatte, sich trotz seiner armen Herkunft an der Uni einzuschreiben.

Als Verein kämpfen wir noch immer mit den Folgen des zweijährigen Corona-Lockdowns und müssen gleichzeitig Wege für den Umgang mit der nächsten Krise, der schwindelerregenden Inflation, finden. Da sind es umso mehr solche erfreulichen Entwicklungen junger Menschen, die uns motivieren und Zuversicht für die weitere Arbeit in einem der ärmsten Länder der Welt geben.