Bildung ist ein schwieriges Thema in Uganda. Trotz der allgemeinen Schulpflicht bleibt vielen Kindern ein Schulabschluss verwehrt. Umso mehr freuen wir uns, dass im zehnten Jahr seit der Vereinsgründung etliche Kinder kurz vor ihrem qualifizierten Schulabschluss stehen. Einige haben sogar schon den Start ins Berufsleben geschafft. Wie unterschiedlich der Weg dorthin sein kann, zeigen die Geschichten der jungen Frauen Sandra und Barbara.

Von der Analphabetin zur berufstätigen Frau

Sandras Schulausbildung endete nach nur zwei Jahren durch den Tod ihrer Mutter. Das Mädchen wurde von ihrer Oma aufgenommen und half bei der Landarbeit und beim Backen und Verkauf von Mandazi Bread. Später kam sie zu ihrer Tante Helen. Als diese im Verein angestellt wurde, lernten wir die inzwischen vierzehnjährige Sandra kennen. Sie unterstützte Helen im Haushalt und schloss sich gerne den Aktivitäten Gleichaltriger im Odissa-Charles Vereinshaus an, z.B. dem Basketballspiel. Diese fröhlichen Momente konnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Mädchen ohne Unterstützung eine schwierige Zukunft bevorstand.

Da Sandra sich gerne weiterentwickeln wollte, ermöglichten wir ihr zunächst die Teilnahme an einem Englischkurs. Obwohl Englisch Amtssprache und wichtig für viele Berufe ist, wird es auf dem Land kaum unterrichtet oder gesprochen. Sandra machte schnell gute Fortschritte! So nahm sie anschließend an einem Alphabetisierungskurs am AEC Community College teil, das Ausbildungsmöglichkeiten für bildungsbenachteiligte Jugendliche und Erwachsene anbietet. Mit dem Abschluss konnte Sandra schließlich eine zweijährige, praxisorientierte Berufsausbildung in einem Hotel antreten.

In der Ausbildung lernte Sandra alle Bereiche kennen: Im ersten Jahr lag der Schwerpunkt auf körperlich anstrengenden Arbeiten; z.B. dem Reinigen des Parkplatzes und der vielen Zimmer. Im zweiten Jahr wurden die Aufgaben interessanter. Sandra freute sich über die neuen Fertigkeiten, die sie sich im Umgang mit nationalen und internationalen Gästen an der Rezeption und im Restaurant aneignen konnte. Noch mehr konnte sie sich für die Küchenarbeit und insbesondere das Backen begeistern und schließlich erfolgreich ihr praktisches Examen beim YMCA ablegen.

Sandra an ihrem Arbeitsplatz

Sandra an ihrem Arbeitsplatz

Dank ihres Fleißes und der guten Vereinskontakte, fand Sandra schnell eine Stelle als Küchenhilfe in einem neuen Backpacker Restaurant. Die Arbeit dort macht sie glücklich, denn das Team ist nett und jeder kann eigene Ideen einbringen. Besonders stolz ist Sandra, dass sie auch Mahlzeiten zubereiten kann, die Europäer und Amerikaner besonders mögen. Momentan ist ihr Gehalt noch gering und einen großen Teil gibt sie für das Moped-Taxi zu ihrer Arbeitsstelle aus. Dennoch ist Sandra motiviert und hofft, dass mit zunehmender Erfahrung auch das Gehalt steigt und sie sich eines Tages vielleicht sogar den Traum von einer eigenen kleinen Bäckerei erfüllen kann.

Kalkulieren, kommunizieren, kochen – Kein Problem für Multitalent Barbara

Barbara stammt aus einer Familie, die vom Verkauf von gebratenem und geräuchertem Fisch lebt. Zusätzlich zu den fünf eigenen Kindern, hat ihre Mutter vier Kinder aus der Verwandtschaft aufgenommen. Trotz großer Armut konnte Barbara zunächst dank der finanziellen Unterstützung einer gemeinnützigen Organisation regelmäßig die Schule besuchen. Ein echter Glücksfall für das strebsame Mädchen; bis die Organisation ankündigte, sich von der Unterstützung etlicher Kinder zurückzuziehen. Ohne weitere Erklärungen wurden Listen mit Namen der Kinder ausgehängt, die weiter zur Schule gehen durften. Barbara war nicht dabei! Die 15jährige, die immer durch gute Noten und tadelloses Verhalten geglänzt hatte, war schockiert!

Da wir Barbaras Familie schon lange kannten – ihr jüngerer Bruder Odissa ist der Namensgeber unseres Vereins – blieb uns Barbaras Verzweiflung nicht lange verborgen. Wir waren entsetzt, dass das begabte Mädchen im Schuljahr Senior 1 (achte Klasse) ohne Abschluss fallengelassen wurde. Dank engagierter Sponsorinnen konnte Barbara den Schulbesuch bald fortsetzen. Beflügelt von Freude und Dankbarkeit schloss sie schließlich Senior 4 (Realschulabschluss) mit sehr guten Noten ab und startete eine Ausbildung im Bereich Catering und Hotelmanagement am Nile Vocational Institut.

Barbaras zweijähriges Training ist mit einer qualifizierten Berufsausbildung in Deutschland vergleichbar. Theoretischer Unterricht und praktische Einsätze in verschiedenen Bereichen wechseln sich ab. Zu der umfangreichen Theorie gehören nicht nur Fächer wie Kochen, Hygiene, Lagerhaltung, Haushaltführung und Kalkulation, sondern auch Sprachen (Englisch, Suaheli und Französisch) und Bewerbungstrainings. Insbesondere die unternehmerischen Themen z.B. Kalkulation und Vorratshaltung, fand die patente Barbara sehr spannend.

Ihre Praxisphasen absolvierte Barbara im luxuriösen Protea Hotel in der Nähe des internationalen Flughafens in Entebbe. Dort fand sie sich schnell zurecht, da sie in den Ferien bereits Erfahrung im Birungi Guesthouse gesammelt hatte. Als echtes Multitalent bestand Barbara die Examina in beiden Ausbildungsjahren mit Bravour und durfte schließlich stolz und glücklich ihren Abschluss mit der Familie, Freunden und Vertretern des Vereins feiern. Unserer Vereinsvorsitzenden Anne Grothe wurde dabei die Ehre zuteil, eine Rede zu halten. Ein aufregender und bewegender Moment!

 

Seit Februar ist Barbara im Birungi Guesthouse als Stellvertreterin von Manager Stevie angestellt. Gemeinsam mit ihrer fleißigen Kollegin Nereah kümmert sie sich um alle Bereiche. Kochen, putzen und Wäsche waschen gehören ebenso dazu, wie der Empfang und die Betreuung der Gäste, die Präsentation der Speisen und die Planung und Führung des Haushaltes. Barabas gute Ausbildung und ihr unternehmerisches Denken und Handeln machen sich in Zeiten hoher Inflation besonders bezahlt. Die notwendigen Vorräte für ihre köstlichen Mahlzeiten kalkuliert und beschafft sie punktgenau. Wenn Barbara auf ihre ersten Berufsmonate zurückblickt, ist sie erfüllt von Glück und Stolz. Für sie ist es eine große Freude mit Menschen zusammen zu arbeiten, die ihr geholfen haben, ihre Ziele zu erreichen.

Das internationale Luxushotel vermisst Barbara nicht, denn dort stand immer diskreter Service im Vordergrund. Im Birungi Guesthouse sind Interaktion und Kommunikation mit den Gästen nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich erwünscht. Barbara genießt das Interesse der Gäste an ihrer Arbeit und ihrer Person und nutzt jede Möglichkeit ihren eigenen Horizont zu erweitern. In ihrer Küche sind Gäste immer willkommen. Rezeptideen nimmt sie ebenso gerne auf, wie sie ihr Wissen über die Zubereitung lokaler Speisen teilt. Damit das in Zukunft noch besser gelingt, besucht Barbara nun einen Deutschkurs. Bei ersten Übungen mit Gästen zeigte sie bereist ein erstaunliches Talent für die deutsche Aussprache. Wir sind zuversichtlich, dass Multitalent Barbara auch diese neue Herausforderung meistern und Gäste bald auf Deutsch begrüßen wird.

Sandra und Barbara mussten viele Hürden überwinden, um heute als selbstbewusste und selbstständige Berufseinsteigerinnen dazustehen. Ihre Geschichten machen uns insbesondere in unserem Jubiläumsjahr sehr glücklich, denn die Vereins- und Entwicklungsarbeit ist einerseits eine echte Herzensangelegenheit, andererseits aber auch oft aufreibend und strapaziös. Erfolgsgeschichten, wie die von Sandra und Barbara, lassen unsere Herzen hüpfen und uns beschwingt die nächsten Herausforderungen angehen!