Die Arbeit des Vereinsvorstandes ist nicht nur sehr vielschichtig, sondern auch zeitintensiv und insbesondere in Krisen eine regelrechte „Wundertüte“. Das zeigten die Rechenschaftsberichte der Vorständinnen im Rahmen der Odissa-Charles e.V. Jahreshauptversammlung im August 2022 eindringlich.

„Vorstandsarbeit? Dafür stelle ich mich gerne zur Verfügung!“, dachte eine der heutigen Vorständinnen vor 2 Jahren, „schließlich ist der Vereinszweck überzeugend, die finanzielle Basis durchweg solide und die Mitgliederversammlungen verlaufen konstruktiv.“ Der erwartete Arbeitsaufwand schien mit zwei Mitgliederversammlungen pro Jahr und ein paar Vorstandssitzungen gut machbar. Soweit die Theorie!

Meeting-Marathon – Der Langstreckenlauf durch die Krise

Hoffnungsfroh startete der im Sommer 2020 neu gewählte Vorstand. Zwar befand sich Uganda in einem strengen Lockdown, aber bis zum Ausbruch der Corona Pandemie waren die Vereinsaktivitäten sehr gut verlaufen:

Die Situation bei den unterstützen Kindern und Familien war weitgehend stabil, Schulbesuche erfolgten regelmäßig und Projekte, z.B. das Odissa-Charles Vereinshaus, waren etabliert. Neue Pläne warteten darauf, nach Abklingen der Pandemie und Aufhebung der Beschränkungen umgesetzt zu werden. Niemand konnte zu der Zeit darauf vorbereitet sein, dass der Lockdown rund zwei Jahre dauern und insbesondere alleinerziehende Mütter in die Arbeits- und Obdachlosigkeit treiben würde. Die Herausforderung, die unterstützten Familien und Kinder durch die Krise zu begleiten, wuchs ins Unermessliche.

Die überraschenden Entwicklungen erforderten einen wahren Meeting Marathon. Vierzehn Vorstandssitzungen, fünf Besprechungen in kleineren Runden, vier Mitgliederversammlungen plus die gelegentliche Teilnahme an Calls mit Mitarbeiter*innen in Uganda, zählte ein Vorstandsmitglied in zwei Jahren. Einige der Gespräche fanden sehr kurzfristig virtuell statt, weil Vorständinnen sich vor Ort in Uganda mit dramatischen Situationen konfrontiert sahen, die umgehend gemeinsame Beschlüsse erforderten. Entscheidungen von großer Tragweite mussten gefällt werden; und zwar immer mit Blick auf die (finanziellen) Möglichkeiten des Vereins, die ugandischen Gesetze und Richtlinien und das individuelle Wohl der Kinder und Familien. Sowohl der erwartete Arbeitsaufwand als auch die psychischen Belastungsgrenzen wurden oftmals überschritten.

Anne Grothe, Virginia von Oppenkowski, Lara Grothe, Vanessa Morris, Heike Niggemeyer (v. li nach re.)

Die Kasse: Mehr als das kleine Einmaleins

Begleitend zu den Änderungen bisheriger Pläne, mussten auch die Finanzen fortlaufend geprüft werden. Kalkulationen, die gestern noch hervorragend waren, lagen plötzlich daneben. Nur dank der konservativen Planung in der Vergangenheit und der lückenlosen Übersicht über die aktuelle Finanzlage, konnten die notwendigen Anpassungen immer schnell erfolgen. Bereits geplante Bildungsmaßnahmen fanden z.B. nicht statt; stattdessen wurden Corona-Nothilfen und Wohngeldzuschüsse ausgezahlt, um das blanke Überleben zu sichern.

Auch in weniger turbulenten Zeiten ist die gewissenhafte Verwaltung der Spendengelder bzw. die nahtlose Dokumentation aller Einnahmen und Ausgaben essentiell, um die Handlungsfähigkeit des Vereins zu sichern und den Status der Gemeinnützigkeit zu wahren. Dafür werden hunderte von Belegen in Uganda gesammelt und vorsortiert, in Deutschland geprüft und den einzelnen Projekten oder Kindern eindeutig zugeordnet. Die Excel Datei, die zu diesem Zweck angelegt wurde, ist strukturell alles andere als trivial und erfordert extreme Sorgfalt bei der Pflege der Daten. Aber die Mühe um Vollständigkeit und Übersichtlichkeit hat sich gelohnt; bei der internen Kassenprüfung gab es keine Beanstandungen und auch die Anforderungen der Finanzbehörden wurden bislang immer ausnahmslos erfüllt.

100% Vertrauen: Wiederwahl des Vorstandes

Die Rechenschaftsberichte der Vorständinnen haben gezeigt, dass der Verein trotz großer Turbulenzen viele Erfolge in den Bereichen Gesundheit, Schulbildung und Berufsausbildung verzeichnen konnte. Folglich wurden sowohl die Kassenwartin als auch der Gesamtvorstand einstimmig entlastet. Ebenso einstimmig erfolgte die Wiederwahl der Vorständinnen, die sich trotz des Entscheidungsdrucks und der Meeting-Marathons der vergangenen zwei Jahre erneut zur Wahl stellten. Und das inmitten einer weiteren Krise, verursacht durch Russlands Krieg gegen die Ukraine! Die dramatischen Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung und die extremen Preissteigerungen in allen Lebensbereichen, werden täglich zu einer größeren Herausforderung. Folglich ist auch künftig mit viel Bedarf an Diskussionen, Anpassungen und Entscheidungen zu rechnen. Oder kurz gesagt: Der Marathon geht weiter!

Gemeinsam werden wir uns auf weitere „Überraschungen“ einstellen müssen und dabei haben wir doch schon als Kinder gelernt, dass nicht alles erbaulich ist, was eine Wundertüte hergibt. Aber es gibt sie, die schönen Überraschungen und kleinen Wunder:

  • Ein Kind, das sich nach einer medizinischen Behandlung wieder uneingeschränkt bewegen kann.
  • Die Schüler, die nach 2 Jahren Lockdown endlich strahlend zurück in die Unterrichtsräume gehen.
  • Eine Mutter, die dankbar für ein Dach über dem Kopf ist.

Der Vorstand ist erneut angetreten, um gemeinsam möglichst viele dieser positiven Überraschungen und kleinen Wunder zu realisieren.